Was ist das Selbstmarketing?

Personal Branding - SymbolbildBildquelle

Das Thema des Selbstmarketings im Rahmen der digitalen sozialen Netzwerke ist in der neueren wissenschaftlichen Literatur sehr intensiv behandelt worden. Verwirrend ist jedoch, dass es fast nie unter dieser Bezeichnung auftritt – auch auf Englisch gibt es hier keinen Konsens. Die Bezeichnung „Self-marketing“ ist tatsächlich nicht zu finden. Stattdessen spricht man von „personal branding“, obwohl verwandte Begriffe, wie z.B. „Impression Management“, „Self-promotion“ oder „Self-presentation“ noch häufiger verwendet werden. Auf Deutsch gibt es ebenfalls eine ganze Reihe von Bezeichnungen, die in der Regel als Synonyme betrachtet werden: Selbstpromotion, Selbst(re)präsentation, Selbstdarstellung, Selbstinszenierung… Demzufolge ist es eher schwierig, sich ein Verständnis vom Konzept des Selbstmarketings zu verschaffen. In diesem Post werde ich eine allgemeine Definition vom Selbstmarketing geben und versuchen, die semantischen Beziehungen zwischen den verschiedenen oben erwähnten Begriffen abzuklären.

Das Selbstmarketing – „self-branding“ auf Englisch – ist grundsätzlich auf sich selbst bezogenes Marketing. Es geht darum, sich selbst zu „verkaufen“, indem man im Web oder/ und in anderen Medien ein bestimmtes, gut überlegtes Bild von sich selbst verbreitet – sei es durch Texte, Bilder, oder weitere multimediale Innhalte, die der Aussenwelt eine cohärente, schmeichelhafte Vorstellung der Person vermitteln. Im Vordergrund steht also die Frage, wie man von den Anderen wahrgenommen wird, und wie man diese Wahrnehmung positiv beeinflussen kann. Das Selbstmarketing ist ein Mittel, für seine Einzigartigkeit als Mensch zu werben und seine besonderen Fähigkeiten, die im Lebenslauf unter Umsänden irrelevant sind (etwa der Humor, die Reife usw., also eher Persönlichkeitsbezogene Fähigkeiten), bekannt zu machen. Dadurch soll sowohl der berufliche als auch der persönliche Erfolg erhöht werden (Gehl 2011, „Ladders, samurai und blue collars: Personal branding in Web 2.0“ ).

Das Selbstmarketing ist ein umfassender Begriff. Die vier üblichen Schritte zum erfolgreichen Selbstmarketing möchte ich jetzt erläutern (angelehnt an Gehl 2011  und Schwope aus der Website selbstmanagen.de):

  • Selbstanalyse und Selbst(re)präsentation: Wer bin ich und was kann ich? Welchem Persönlichkeitstyp entspricht meine Persönlichkeit (d.h. bin ich eher introvertiert oder extravertiert, theoretisch- oder praxisorientiert, usw.)? Welche Fähigkeiten unterscheiden mich von den Anderen, welche geben mir einen Vorteil diesen Anderen gegenüber? Was macht mich speziell? Hier geht es nicht darum, einen Lebenslauf zu erstellen sondern vielmehr um die Identifikation seiner persönlichen Kerneigenschaften und –fähigkeiten. Nach dieser Selbstevaluation kann man ein bestimmtes Profil bzw. Bild von sich selbst mithilfe von Texten, Bildern und weiteren  multimedialen Inhalten erstellen.
  • Vertrauen schaffen: Das Ziel vom Selbstmarketing ist es, ein marktfähiges Bild von sich selbst zu erstellen, um sich von der Konkurrenz zu unterscheiden. Dieses Bild sollte jedoch möglichst authentisch sein und deutlich zeigen, wer man ist. Dies verlangt einerseits Authentizität und andererseits Transparenz, die durch das Erzählen seines alltäglichen Lebens und das Bekanntmachen von persönlichen Details geschafft werden.
  • Beziehungen anknüpfen (Networking): Man macht sich bekannt, indem man sich mit Anderen austauscht, auf sich aufmerksam macht und Beziehungen anknüpft. So einfach ist es aber nicht, da die Etiquette der sozialen Medien es verbietet, für sich selbst Werbung zu machen (Peters 2008, „The Paradox of self-promotion with social media“). Die Kunst der Selbstpromotion besteht also u.a. darin, unsere Online-Beziehungen dazu zu führen, Werbung für uns zu machen, indem wir zuerst für sie etwas tun, wie z.B. sie zu unseren „Freunden“ hinzufügen.
  • Selbstüberwachung: Um die Kontrolle über sein eigenes Bild zu bewahren und zu prüfen, ob es tatsächlich so wahrgenommen wird, wie man es vorgesehen hat, muss man es ständig überwachen. Wie reagieren die Leute darauf? Wer postet was über mich? Im Rahmen der sozialen Netzwerke gewinnt die Selbstüberwachung immer mehr an Bedeutung, denn unser Profil wird sehr schnell „autonom“, da andere Nutzer damit interagieren können, auch wenn wir gerade nicht Online sind.

Behalten Sie noch im Auge, dass das Selbstmarketing ein rekursiver Prozess ist, d.h. jeder Schritt kann beliebig häufig wiederholt werden. Das digitale Bild, das man von sich selbst erstelt, muss ständig à jour gehalten werden.

Nach dieser Abklärungen sind wir in der Lage, die am Anfang aufgelisteten Begriffe zu erläutern und voneinander zu unterscheiden. Das sogenannte Impression Management, die Selbstdarstellung und die Selbstinszenierung können sowohl dem ersten Schritt (also der Selbstpräsentation) als auch dem zweiten Schritt im Selbstmarketingsprozess gleichgesetzt werden: es geht nämlich darum, so von seinem eigenen Leben zu erzählen, dass das Interesse der Anderen geweckt wird und dass sie sich das richtige bzw. das von uns gewünschte Bild von unserer Person abbilden. Die Erwähnung (und umgekehrt auch die Nicht-Erwähnung) von Elementen im Profil sind schon eine Weise, einen bestimmten Eindruck beim Leser zu erzeugen. Die Selbstpromotion bzw. self-promotion entspricht dagegen eher dem dritten Schritt des Prozesses, also den Networking-Aktivitäten und dem Suchen nach Aufmerksamkeit.

Im nächsten Post werde ich die folgende Fragestellung ansprechen: wer macht Selbstmarketing in sozialen Netzwerken bzw. in privaten, allgemeinen online sozialen Netzwerken? (siehe Differenzierung von sozialen Netzwerken im Web im Post „Was sind digitale soziale Netzwerke?„)

Detaillierte Quellenangaben

Was sind digitale soziale Netzwerke?

Soziale Netzwerke haben sich in den letzteren Jahren in ein echtes Phänomen gewandelt. Laut einer in März 2012 von eMarketer.com veröffentlichten Studie, nutzt heuete jeder fünfte Mensch mindestens einmal im Monat ein soziales Netzwerk – und die Tendenz steigt. In einem ersten Schritt werde ich versuchen, die folgenden Frage zu beantworten: Was versteht man aber genau unter dem Begriff „soziales Netzwerk“, und welche sind ihre Kerneingenschaften?

Allgemein akzeptierte Definitionen von digitalen sozialen Netzwerken gibt es zur Zeit keine. In der Wissenschaft haben sich jedoch mehrere Wissenschaftler mit dem Thema auseinandergestzt. In ihrem Artikel „On Social Websites“ haben Kim, Jeong and Lee (2009, S. 216) eine ausführliche Defnition von sozialen Websites formuliert:

Soziale Websites sind die Websites, die es den Menschen ermöglichen, Online-Gemeinschaften zu gründen und nutzererstellte Inhalte zu teilen, wobei 1) die Menschen sowohl beliebige Internetnutzer als auch Mitglieder einer bestimmten Organisation sein können, 2) die Gemeinschaften (auf Englisch Online-Communities genannt) Netzwerke von offline-Freunden, online-Bekanntschaften oder Interessengruppen sein können, 3) die nutzererstellten Inhalte (auf Englisch user-created contents, UCCs abgekürzt) sowohl Fotos und Videos als auch Online-Lesezeichen oder persönliche Angaben, Kommentare usw. sein können und 4) dasSocial network sites: Definition, history, and scholarshi Teilen  als mindestens das Posten, Anschauen and Kommentieren von den Inhalten  verstanden wird.

Diese Definition bezieht sich zwar sowohl auf die nutzerorientierten sozialen Netzwerke (wie z. B. Facebook und Myspace bzw. unser eigentliches Thema) als auch auf die inhaltorientierten sozialen Websites (wie u.a. Youtube und Flickr, welche wir in diesem Blog nicht weiterdiskutieren werden), und bleibt also für diesen Blog noch zu allgemein; sie hat aber den Vorteil, dass sie uns mit den wichtigen Begriffen der sozialen Netzwerke vertraut macht und dadurch ein guter Einstieg ins Thema bildet.

Eine lediglich auf die sozialen Netzwerke fokussierte Definition ist die von Boyd und Ellison (2008, S.211) im Artikel „Social network sites: Definition, history, and scholarship„:

Soziale Netzwerke sind Web-basierte Dienste, die es den Menschen ermöglichen, erstens öffentliche oder semi-öffentliche Profile in einem begrenzten System zu erfassen, zweitens eine Liste von den Nutzern zu erhalten, mit denen sie eine Verbindung haben (oft „Freunde“ genannt) und drittens ihre eigene Online-Bekanntschaften-Liste sowie die Liste der sich in der Liste befindenen „Freunde“ anzuschauen.

In diesem letzten Punkt liegt die einzigartige Eigenschaft der sozialen Netzwerke (man spricht von „Public Displays of Connection“ (Donath und Boyd 2004)), denn durch sie können zwischen Menschen Verbindungen gemacht werden, die sonst unsichtbar geblieben wären oder gar nicht existiert hätten.

Um die von den sozialen Netzwerken angebotenen Möglichkeiten sowie ihre Funktionsweise besser zu verstehen, ist es hilfreich, sich ihre wesentliche Bestandteile näher anzuschauen. Kim, Jeong und Lee (2009, S. 218) haben acht allgemeingültige Bestandteile (features) von sozialen Netzwerken identifiziert:

  1. Persönliche Profile: Alle Benutzer können sich ein Benutzerprofil anlegen. In der Regel können sie auch bestimmen, wer welche persönliche Daten sehen darf (Privatsphäre-Einstellungen).
  2. Anknüpfen von Online-Bekanntschaften bzw. „Freunden“: Nutzer können durch ihre Online-Bekanntschaften weitere „Freunde“ finden.
  3. Teilnahme an Online-Gruppen: Nutzer können sich mit schon exisiterenden Gruppen verbinden und sogar selber neue Gruppen gründen.
  4. Kommunizieren mit Freunden: Nutzer können durch email, instant messaging, text-messaging, public and private bulletin boards und Internet phone service sowohl mit ihren Freunden als auch mit weiteren Nutzern kommunizieren.
  5. Teilen von nutzererstellen Inhalten: Nutzer können verschiene selbsterstellte Inhaltstype wie z.B. Blogs, Fotos, Videos, Musik, Lesezeichen und Text veröffentlichen und mit ihren Freunden teilen. Sie können auch die Inhalte, die ihnen gefallen (aber die sie nicht selber erstellt haben), ihren Freunden weiterleiten, indem sie einen „Like“- oder einen „Share“-Button anclicken.
  6. Ausdrücken von Meinungen: Nutzer können sowohl die von Freunden veröffentlichten Inhalte als auch ihre eigene kommentieren.
  7. Finden von Information: Sowohl Mitglieder als auch Nicht-Mitglieder können nach Namen, Gruppennamen und nutzererstellten Inhalte suchen.
  8. „Locken“ von Nutzern: die sozialen Netzwerke setzten verschiedene Mittel ein, damit die Nutzer sich regelmässig einloggen bzw. möglichst oft das Netzwerk besuchen. Typisch ist das Anzeigen von Daten, die die Nutzer interessieren (können), wie zum Beispiel die zuletzt veröffentlichten Inhalte.

Diese Kerneigenschaften, die in allen online Netzwerken vorhanden sind, verdeutlichen die Ziele der sozialen Netzwerke allgemein und zwar, das Gründen von Online-Gemeinschaften, das Interagieren zwischen Mitgliedern von solchen Gemeinschaften sowie das Teilen von nutzererstellen Inhalten (Kim et al. 2009, S. 218).  Aus diesem Grund sind die soziale Netzwerke auch mächtige (Selbst)marketingswerkzeuge, indem sie es den Nutzern ermöglichen, einerseits schnell und leicht miteinander zu kommunizieren und andererseits sich effizient den anderen vorzustellen (Heidemann et al. 2012, s. 3).

Dies bedeutet aber nicht, dass alle sozialen Netwerke im Web ähnlich sind. Es gibt nämlich sowohl private als auch professionelle („business“) Netzwerke (wie z.B. LinkedIn), in denen das Aufrechterhalten von professionellen Beziehungen und das Suchen nach Arbeit im Vordergrund stehen (Heidemann et al. 2012, S. 6). Weiterhin kann das Thema bzw. die Themen der geteilten Nutzerinhalte ein weiteres Differenzierungskriterium von digitalen sozialen Netzwerken sein. So gibt es neben den „allgemeinen“ Netzwerken (d.h. Netzwerke, wo man beliebige Themen ansprechen kann, wie typischerweise Facebook) auch Netzwerke, die auf ein bestimmtes Themengebiet fokussieren (Heidemann et al. 2012, s. 6).

In diesem Blog werden wir uns mit den privaten, allgemeinen digitalen sozialen Netzwerke befassen.

Im nächsten Post werde ich mich den Nutzungsmotiven von digitalen sozialen Netzwerken widmen.

Detaillierte Quellenangaben