Soziale Online-Netzwerke, Selbstmarketing und Narzissmus

https://i0.wp.com/www.f1online.de/premid/004494000/4494494.jpgNeuere Studien haben gezeigt, dass die Jugendlichen von heute selbstverliebter sind als die vorherigen Generationen. Diese Tatsache wird in der Fachliteratur oft in Zusammenhang mit digitalen sozialen Netzwerken besprochen: sind solche Netzwerke der Grund dafür, weshalb wir anscheinend zum Narzissmus neigen? (Bergman, Fearrington, Davenport, Bergman 2011, „Millenials, narcissism and social networking: What narcissists do on social networking sites and why“). Diese Hypothese beruht auf dem Argument, dass die Selbstmarketingsmöglichkeiten, die soziale Netzwerke im Web anbieten, eine ideale Umgebung für narzisstische Menschen aus ihnen machen (Bergman et al. 2011). In diesem Post möchte ich mich also mit der folgenden Fragestellung auseinandersetzen: führt das Selbstmarketing auf sozialen Online-Netzwerken zum Narzissmus?

Zuerst muss definiert werden, was mit den Begriffen „Narzissmus“ und „Narzissten“ gemeint ist. Der Narzissmus bezeichnet einen Persönlichkeitszug, der sich durch ein überpositives Selbstbild charakterisiert (Buffardi und Campbell 2008, „Narcissism and Social Networking Web Sites“). Die narzissten Persönlichkeiten betrachten sich selbst als „höher“ bzw. besser als ihre Mitmenschen, besonders was den gesellschaftlichen Status, das Aussehen, die Beliebtheit und die Klugheit betrifft. Sie streben ständig danach, von anderen bewundert zu werden und suchen immer nach Weisen, bemerkt zu werden (Gentile, Twenge, Freeman und Campbell 2012, „“The effect of social networking on positive self-views: an experimental investigation“). Weitherin mangeln sie an Empathie und bevorzugen künstliche, nicht-emotionale Beziehungen. Aus diesen Gründen sind auch Narzissten überzeugte Selbstmarketingspraktiker (Gentile et al. 2012, S.1930; Buffardi und Campbell 2008, S. 1308), nicht zuletzt in sozialen Online-Netzwerken. Demzufolge sind auch in der Regel im persönlichen Online-Netzwerk eine höhe Anzahl an narzisstischen Personen zu finden – denn solche Personen haben auf digitalen sozialen Netzwerke mehr „Freunde“ als nicht-narzisstische Menschen. Jetzt stellt sich die Frage, ob die Tatsache, dass man oft mit narzisstischen Leuten in sozialen Online-Netzwerken, dazu führt, dass man selber narzisstische Neigungen entwickelt (Buffardi und Campbell 2008, S. 1311); die Prävalenz von narzisstischen Persönlichkeiten in digitalen sozialen Netzwerke könnte verursachen, dass das narzisstische Verhalten als akzeptabel bertachtet wird und, dass dadurch sich mehr Personen dazu widmen (Ryan und Xenos 2011, „Who uses Facebook? An investigation into the relationship between the Big Five, shyness, narcissism, loneliness and Facebook usage“).

Obwohl diese Frage bisher noch unbeantwortet bleibt (bis jetzt hat keine Studie bewiesen können, dass es tatsächlich einen solchen Zusammenhang gibt), finde ich das Thema sehr fragenaufwerfend – besonders in Bezug auf das Selbstmarketing. Erstens sind meiner Meinung nach Selbstmarketingspraktiker u.U. beinflussbarer als andere Nutzer von sozialen Online-Netzwerken Narzissten gegenüber. Dies liegt daran, dass wenn man versucht, die bestmögliche Selbstpromotionsstrategie zu entwickeln, man logischerweise auch ein Bisschen beobachtet, wie andere es machen. Zweitens denke ich, dass man sich durch das Werben für sich selbst in Gefahr begibt, ein falsches, unrealistisches Selbstbild zu entwickeln. Kern des Selbstmarketings ist es ja, sich unter einem schmeichelhaften Licht den Anderen vorzustellen: wird es einem dann nicht zu unangenehm, sich mit seinen Fehlern zu akzeptieren? Besteht nicht die Gefahr, dass unser Online-Bild uns so sehr gefällt, dass wir uns mit ihm identifizieren und vergessen, dass wir anders sind, und dadurch auch ein narzisstisches Verhalten entwickeln?

Was denken Sie? Glauben Sie, dass das Selbstmarketing uns dazu führen kann, narzisstisch zu werden?

Im nächsten Post werde ich mich mit der Frage der Selbstüberwachung in digitalen sozialen Netzwerken und den damit verbundenen Gefahren auseinandersetzen.

Detaillierte Quellenangaben